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Aktuelles

Umsatzsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen

Unter Zugrundelegung der BMF-Schreiben vom 13.02.2001 (BStBl I, 157), vom 08.11.2001 (BStBl I, 826) und verschiedener Einzelentscheidungen auf Bundes- und Landesebene gilt zur Frage der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 und Nr. 16 UStG für ärztliche Leistungen Folgendes: Nach dem EuGH-Urteil vom 14.09.2000 (UR 2000, 432) sind Leistungen eines Arztes nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie steuerfrei, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen. § 4 Nr. 14 und Nr. 16 UStG sind im Sinne des o.g. EuGH-Urteils auszulegen. Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete ärztliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o.a.) und wer sie erbringt (freiberuflicher oder angestellter Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Unternehmer, der ähnliche heilberufliche Tätigkeiten nach § 4 Nr. 14 UStG ausübt, sowie Krankenhäuser, Kliniken usw.). Nach Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3; Nr. 2 Satz 2, Nr. 3 Satz 2 UStR fallen seit jeher nicht unter die Steuerbefreiung:
  • Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung;
  • anthropologisch-erbbiologische Gutachten;
  • psychologische Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken;
  • Gutachten über die chemische Zusammensetzung des Wassers
  • experimentelle Untersuchung bei Tieren im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung.
Ab dem 09.03.2001 (Leistungen nach Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 13.02.2001) sind abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 UStR folgende Leistungen steuerpflichtig:
  • Alkohol-Gutachten;
  • Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse;
  • Gutachten über die Berufstauglichkeit;
  • Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten, in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und in Schadensersatzprozessen;
  • Zeugnissen oder Gutachten über das Sehvermögen;
  • Gutachten über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitserregern;
  • dermatologischen Untersuchungen von kosmetischen Stoffen;
  • Gutachterliche Feststellungen zum voraussichtlichen Erfolg von Rehabilitationsleistungen im Rahmen eines Rentenverfahrens, da hier ein Rentenantrag Anlass für das ärztliche Tätigwerden ist. Der Aspekt "Rehabilitation vor Rente" führt auch nicht dazu, dass die medizinische Betreuung in den Vordergrund tritt, da es insoweit in erster Linie darum geht, Rentenleistungen nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen zu müssen.
  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen, z.B. bei Fragen der Schadensersatzleistung, auch bei öffentlich-rechtlicher Berichtspflicht;
  • Leistungen der selbständigen Betriebsärzte, soweit die medizinische Betreuung nicht im Vordergrund steht, z.B. bei Berufstauglichkeitsuntersuchungen. Erbringen die Betriebsärzte Leistungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG - vgl. S-7172 Karte 4), steht ebenfalls nicht die medizinische Betreuung im Vordergrund, sondern die Sicherstellung von Arbeitsschutz und Unfallverhütung.
  • Musterungs-, Tauglichkeits- und Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und -gutachten, da diese dem Anlass der Beurteilung für den (künftigen) Dienstherrn dienen, ob der Bewerber für eine bestimmte Verwendung geeignet ist. Die Umsatzsteuerpflicht besteht selbst dann, wenn durch eine derartige Untersuchung die Verschlimmerung einer bestehenden Erkrankung vermieden werden soll, da ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht.
  • Untersuchungen, bei denen die Frage der Tauglichkeit des Untersuchten für eine bestimmte Tätigkeit im Vordergrund steht, z.B. bei Flugtauglichkeitsuntersuchungen. Hierbei handelt es sich nicht um Vorsorgeuntersuchungen.
  • Röntgenaufnahmen, die für ein Gutachten des TÜV zur Berufstauglichkeit erstellt werden;
  • Gutachten, die im Rahmen von Strafverfahren erstattet werden;
  • Untersuchung und Begutachtung durch Vertragsärzte zur Feststellung von Beschädigungen, wenn diese Leistungen nicht der (weiteren) medizinischen Betreuung dienen sollen, sondern z.B. als Grundlage für eine Entschädigungsleistung;
  • forensische Gutachten, sowohl zur Frage der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) als auch zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (§§ 63, 64 StGB). Obwohl Letzteres auf eine zukünftige Behandlung zielt, sind derartige Gutachten ausnahmslos umsatzsteuerpflichtig.
  • Prognosegutachten, die im Rahmen des Strafvollzugs erstattet werden;
  • Sachverständigentätigkeit im Sinne des § 8 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG), weil die Leistung nicht der Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin dient. Die Entschädigung des sachverständigen Zeugen, der Zeuge im Sinne des § 2 ZSEG ist, ist als echter Schadensersatz (Abschn. 3 Abs. 8 UStR) nicht steuerbar.
  • Gutachten nach § 12 Abs. 1 der Psychotherapie-Vereinbarung;
  • Obduktionen, es sei denn, die Obduktion ist im Falle des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung; Sport- und reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen;
  • externe Gutachten für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung;
  • Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebedürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt (§ 18 Abs. 1 SGB XI). Hier stehen Fragen nach Art und Umfang der erforderlichen Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 SGB XI) im Vordergrund, die ggf. auch zu treffenden Feststellungen zu Fragen der Behandlungspflege treten dahinter zurück.
  • Gutachten eines Dritten zur vorgeschlagenen ärztlichen Behandlung, zahnärztlichen Behandlung, der Verordnung von Arzneimitteln und zur vorgeschlagenen kieferorthopädischen Behandlung und der Versorgung mit Zahnersatz (zahnprothetische Behandlungen) zum Zwecke der Kostenübernahme durch die Krankenkasse (§ 12 Sozialgesetzbuch V).
Ab dem 01.01.2002 (BMF-Schreiben vom 08.11.2001) sind abweichend von Abschn. 88 Abs. 3 Nr. 1, 4 und 5 sowie Abschn. 98 und 100 UStR folgende Leistungen steuerpflichtig:
  • Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung;
  • Gutachten über die Tatsache oder Ursache des Todes (außer, wenn als letzte Maßnahme im Rahmen einer Heilbehandlung anzusehen);
  • die ärztliche Untersuchung über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen;
  • ärztliche Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz;
  • Blutalkoholuntersuchungen für gerichtliche Zwecke in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung.
Die Feststellung des Zustands der Organe, Gewebe, Körperflüssigkeiten usw. in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung ist nur dann nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei, wenn sie für diagnostische oder therapeutische Zwecke erfolgt. Die oben genannten Leistungen sind nicht nur steuerpflichtig, wenn sie von selbständigen Ärzte erbracht werden, sondern auch dann, wenn Leistender ein Krankenhaus oder eine andere in § 4 Nr. 16 UStG bezeichnete Einrichtung ist. Eng verbundene Umsätze nach Abschn. 100 Abs. 1 Satz 2 UStR dürfen im Wesentlichen nicht dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer - nämlich der selbständigen Ärzte - stehen. Daher fallen derartige Leistungen - wie z.B. die Abgabe von ärztlichen Gutachten gegen Entgelt - nicht mehr unter die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 UStG, wenn eine vergleichbare Leistung nicht nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei ist. Folgende Leistungen sind weiterhin steuerfrei:
  • gutachterliche Tätigkeit zur Feststellung der persönlichen Voraussetzungen für eine medizinische Rehabilitation, auch wenn der Arzt zu dem Ergebnis gelangt, dass der Patient nicht rehabilitierbar ist, sondern eine dauerhafte Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit gegeben ist;
  • Gutachten, Berichte und Bescheinigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten dienen und die medizinische Betreuung im Vordergrund steht;
  • Vorsorgeuntersuchungen, bei denen Krankheiten möglichst frühzeitig festgestellt und mit größtmöglicher Aussicht auf Erfolg behandelt werden sollen, wie z.B. Krebsfrüherkennung oder Glaukomfrüherkennung;
  • körperliche Untersuchung von Personen im Polizeigewahrsam zur Überprüfung der Verwahrfähigkeit in der Zelle (alternativ erforderliche Krankenhauseinweisung);
  • kurze Bescheinigungen und Zeugnisse, die nach Nr. 70 GOÄ berechnet werden. Sie sind Nebenleistung zu einer Untersuchungs- und Behandlungsleistung. Dies gilt insbesondere für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
  • Weitere Leistungen des Kapitels B VI der GOÄ, soweit ein enger Zusammenhang mit einer im Vordergrund stehenden Untersuchungs- und Behandlungsleistung gegeben ist;
  • vertragsärztliche Auskünfte, Bescheinigungen, Zeugnisse, Berichte und Gutachten, die nach Nr. 71 ff des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet werden, weil sie der Kommunikation unter Ärzten als einem notwendigen Bestandteil der übernommenen Behandlung oder Erfüllung öffentlich-rechtlicher Berichtspflichten des Arztes gegenüber den Krankenkassen dienen;
  • Befundberichte gegenüber den Versorgungsämtern, die nach dem Zeugen- und Sachverständigenentschädigungsgesetz entschädigt werden;
  • Gutachten zu medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (Aussagen zu Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit, -prognose und Therapieempfehlung), zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege, da in diesen genannten Aufgabenfeldern ein therapeutisches Ziel bzw. eine therapeutische Entscheidung im Mittelpunkt steht;
  • Obduktionen, die im Falle des Seuchenverdachts für Kontaktpersonen von therapeutischer Bedeutung sind;
  • ärztliche Leistungen der Schönheitschirurgen, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Indiz hierfür kann die Übernahme der Kosten durch Krankenversicherungen sein.

Die übrigen ästhetisch-plastischen Leistungen eines Chirurgen sind ab dem 01.01.2003 steuerpflichtig (bis zum 31.12.2002 erbrachte Leistungen können aus Gründen des Vertrauensschutzes steuerfrei belassen werden). Gleiches gilt für vergleichbare Leistungen der Dermatologen oder Anästhesisten. Für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG sind die Verhältnisse am 01.01. eines Jahres maßgebend. Daher kann z.B. ein Arzt für das Jahr 2001 noch die Kleinunternehmerregelung anwenden, wenn aus der Sicht des 01.01.2001 die Umsatzgrenzen des § 19 Abs. 1 UStG (Gesamtumsatz für das Jahr 2000 nicht mehr als 32.500 DM und für das Jahr 2001 voraussichtlich nicht mehr als 100.000 DM) nicht überschritten waren. Da am 01.01.2001 die im BMF-Schreiben vom 13.02.2001 enthaltenen Regelungen noch nicht bekannt waren, sind bei der Berechnung des Gesamtumsatzes nur die Umsätze einzubeziehen, die bereits am 01.01.2001 steuerpflichtig waren. Umsätze aus Tätigkeiten, die ab 09.03.2001 steuerpflichtig sind, sind nicht in diese Berechnung einzubeziehen. Für das Jahr 2002 kommt die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung, wenn der Gesamtumsatz für das Jahr 2001 nicht mehr als 32.500 DM betragen hat. Die Umsätze, die aufgrund des BMF-Schreibens vom 13.02.2001 ab 09.03.2001 steuerpflichtig sind, sind in diese Berechnung einzubeziehen. Die Umsätze, die erst ab dem 01.01.2002 steuerpflichtig sind (BMF-Schreiben vom 08.11.2001 a.a.O.), werden nur bei der Ermittlung der Grenze von 50.000 Euro berücksichtigt.

Oberfinanzdirektion Karlsruhe Stuttgart , S-7170, Verfügung vom 29.04.2005
Fundstellen: UStK § 4 Nr. 14 u. 16 UStG Karte 3

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